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Dem Ruf des Berges folgten
Alois, Frankie, Heinrich, Igo, Martin, Peter,
Roland, Roland, Ronny und Wolfgang in Schüben
zwischen Praterstern 06:46, Wien Mitte 06:50 und
Meidling 07:05. Der Berg, der diesmal rief, war
der Große Sonnleitstein. Ganz geläufig war der
Name auch während der Anreise noch nicht:
"Großer Sonn... äh... wie?" Die
Anreise nach Payerbach verlief fahrplangemäß,
mit einem 15minütigen Halt in Wiener Neustadt,
wo man sich noch rasch mit fehlenden
Bestandteilen des Frühstücks eindecken konnte.
Im Anschluss folgte eine 50minütige Busfahrt
nach Hinternasswald, die wegen der Aussichten
während der Fahrt durch das Höllental als
durchaus genussreich empfunden werden konnte. In
Nasswald wurde im Vorbeifahren das Gasthaus
Raxkönig gesichtet und die Erwartung, in ein
paar Stunden hier zu sitzen, löste spontanen
Jubel aus. Zentimetergenau passierte der Bus die
Engstelle zwischen Nasswald und Hinternasswald
(711m), wo um 09:35 der Ausgangspunkt der
Wanderung erreicht war. Hinternasswald kannten
einige Teilnehmer schon von der Schneealpe-Tour
2009. Von daher wussten sie, dass es hier
außer der Buswendestelle, dem Parkplatz und
einigen Häusern nichts gibt, nicht einmal einen
Kebab. Dieser Umstand hatte auch die
Tourenplanung mitbestimmt, denn während
Hinternasswald viele Wanderwege aber kein
Gasthaus hat, hat Nasswald ein Gasthaus aber
keine Wanderwege. Dazwischen liegen 5 Kilometer
Asphaltstraße oder ein Marsch querfeldein über
den Rauchkogel, wobei letzteres am Programm
stand.
Am Anfang war alles ganz harmlos. Gemächlich
ansteigend verlief die Forststraße (ehemaliger
Kaisersteig) in Richtung Westen und während der
ersten Stunde hatte die Wanderung mehr den
Charakter eines Spaziergangs im Gebirgspanorama
von Rax und Schneealpe. Das perfekte Wanderwetter
bot einen Mix von Sonne und Wolken und angenehme
Temperaturen. Nach einem kleinen Abschneider
über ein Waldsteiglein ging es weiter der
Forststraße entlang, die sich durch pittoreske
Felsen in eine Kehre wand, in der ein Bächlein
in kleinen Wasserfällen zu Tale plätscherte.
Links davon führte ein Steig empor, auf dem nun
tüchtig Höhenmeter gemacht wurden. Der Weg
verlief oft nah am Bach und war entsprechend nass
und rutschig.
Um 11 Uhr war die Ameiswieshütte (1215m)
erreicht - leider nur eine unbewirtschaftete
Forsthütte der Stadt Wien, aber gut genug für
ein Gruppenfoto und für einen im Stehen
verdrückten Müsliriegel oder ein Brötchen aus
dem Rucksack. Danach ging es weiter steil bergauf
durch den Hochwald. Aufgeregtes Vogelgeschrei
begleitete die Wandergruppe einen Teil des Wegs
und wurde (mit Fragezeichen) als Balzruf
interpretiert. Den Teilnehmern setzte die
Höhenluft zunehmend zu, denn während sie
anfangs noch versucht hatten, den beiden
Neuzugängen gegenüber ein gesittetes Bild
abzugeben, wurden Bemerkungen und Scherze mit
jedem Höhenmeter freizügiger.
Gegen Ende des Aufstiegs tauchte eine markante
Felswand auf, die dem Gipfel des Sonnleitsteins
zuzuordnen war. Der Weg führte zum Glück um die
Wand herum und nicht gerade hinauf. Der Gipfel
war um etwa halb eins erreicht, womit die in
Hinternasswald angegebene Gehzeit von 3½ Stunden
um eine halbe Stunde unterboten war. Somit gab es
keinen Grund zur Eile und die Jause wurde
ausgepackt.
Das Gipfelkreuz des Großen Sonnleitsteins
(1639m) war zwar nicht besonders groß (immer
noch besser als das am Hohen
Hengst), aber die Aussicht konnte sich mit
jedem Gipfel der Umgebung messen. Besonders
imposant wirkten die nahe Schneealpe, über der
dunkle Wolken wuchsen, und die Rax, mit Heukuppe,
Bärenloch, Habsburghaus und Scheibwaldhöhe.
Ronny spendierte den Gipfelsiegern eine Runde
Sekt und Schokoriegel und glich damit die
gastronomischen Mankos der Gegend aus.
Der Weiterweg öffnete nun
Entscheidungsmöglichkeiten. Gämsenartiges
Weiterklettern am Grat in Richtung Osten wurde
als zu unabwägbar verworfen und auch der steile
Waldabhang unterhalb der Gipfelfelsen sah nicht
einladend aus. Daher ging die Gruppe eine
Viertelstunde zurück bis zur Abzweigung zum
Franz Jonas Steig Richtung Hinternasswald. Der
Steig führte nun östlich absteigend über den
Betriegel, der jedoch nicht zum Beten genutzt
wurde, sondern für eine Pinkelpause, das
Anbinden eines gefundenen Taschentuchs an einen
Ast und die Begrüßung entgegenkommender
Wanderer, die in dieser Gegend ja nicht so
häufig anzutreffen waren. Die Wegbeschaffenheit
war steil und rutschig, was den einen oder
anderen ungewollten Hinsetzer mit sich brachte
und die Frage aufwarf, wie es dann wohl ohne Weg
weitergehen würde.
Nach einem halben Kilometer Forststraße
unterhalb des unbenannten Gipfels 1352m war dann
auch Schluss mit Weg. Eine Schneise im Wald
führte über den Suttensattel zum
Rauchkogel/Vorhautkogel (1263m), auf dessen
sonnenbeschienen Felsen die nächste Rast
eingelegt wurde. Während die einen noch ein
Brötchen verzehrten, wanderte Roland vor und
kehrte mit der beunruhigenden Nachricht zurück,
dass es auf der anderen Seite mehr oder weniger
senkrecht nach unten ginge. Frankie und Igo zogen
als nächste Kundschafter los und fanden heraus,
dass in nördlicher Richtung der Grat zwar steil,
aber begehbar war. Es gab auch immer wieder
Farbmarkierungen an Baumstämmen und
Schneestangen, wenngleich keinen Weg im engeren
Sinn. Vielmehr hatte man sich den Weg durch
Gestrüpp, gefällte Bäume, Steine und Abhänge
selbst zu suchen.
Das gelang mehr oder weniger gut. Die Gazellen
voran zog die Gruppe den steilen Berg hinab,
blieb aber zumindest in den schwierigen Passagen
in Hörweite, sodass Nachrichten durch den
Hochwald schallten wie: "Scheiße!" -
"Da müsst ihr rechts herum" -
"Nicht an der Wurzel anhalten, die ist
locker" - "Wo ist der Weg?" -
"Da ist kein Weg!"
Nach der Karte ermittelt, liegen Höhenlinien
und horizontale Distanz nördlich des Rauchkogels
in einem Verhältnis von etwa 4:5, was einer
Steigung von 80% entspricht. Aufgrund der
Unregelmäßigkeiten des Geländes liegt die
Steigung stellenweise wohl noch deutlich
darüber. Was im Aufstieg und bei trockenen
Verhältnissen gut zu bewältigen gewesen wäre,
war im Abstieg mühsam, zumal der Boden aufgrund
der vergangenen Regenfälle durchnässt war und
Wurzeln und Steine von einem
schmierseifenähnlichen Film überzogen waren.
Die exakt am Grat verlaufende Schneise im Wald
mitsamt ihrer Markierungen ist auch nicht als
Wanderweg gewidmet, sondern dient der Erhaltung
von Grundstücks- und Reviergrenzen.
Der Point of no Return war spätestens um 15
Uhr erreicht, denn ab dann wäre bei einer Umkehr
der Bus in Hinternasswald nicht mehr zu erreichen
gewesen. Ein Ende war indes noch lange nicht in
Sicht, auch wenn nun mitunter tief unterhalb
Forststraßen in Sicht kamen. Erreicht wurde
letztlich nicht die angepeilte Vogelkirchen (eine
markante Felsformation in direktester Entfernung
vom Rauchkogel), sondern ein Gehöft im
Nasswalder Ortsteil Heufuß, wo ein junger
Bursche Informationen über den Weiterweg
lieferte.
Neben anderen, schlimmeren Möglichkeiten
wäre es bitter gewesen, das Gasthaus in Nasswald
(612m) just zu dem Zeitpunkt zu erreichen, an dem
der letzte Bus abfuhr. Die Überlebenden des
"Mördersteigs" erreichten den
Raxkönig jedoch zwischen 16:45 und 17 Uhr. Die
Gastwirtschaft, die Notlage der Reisenden
erkennend, schaffte es, ein Schnitzel binnen drei
Minuten auf den Tisch zu stellen und unterbot
damit ihre eigene Prognose (5-30 Minuten)
deutlich. So ging sich für alle eine erholsame
und stärkende Rast im Gastgarten aus, ehe um
17:36 der Bus Richtung Payerbach (mit dem
gleichen Fahrer wie in der Früh) eintraf, um die
erschöpften Wanderer Richtung Heimat zu
verfrachten.
Peter begleitete die Wienreisenden bis zum
Zug, er selbst trat die Fahrt zum Semmering in
die entgegengesetzte Richtung an. Der Stop in
Wiener Neustadt wurde genutzt um bestehende
Bedürfnisse nach Nahrung, Flüssigkeit oder
Zigaretten zu stillen. Der Ausstieg der Truppe an
den verschiedenen Stationen in Wien verlief in
umgekehrter Reihenfolge annähernd so wie beim
Zustieg.
Gesamt 980 Höhenmeter Aufstieg, 1080 Abstieg,
Gehzeit 6½-7 Stunden je nach Tempo (Pausen
abgezogen).
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