Männer auf Touren

 
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Sonntag, 5. September 2010

Großer Sonnleitstein
Hinternasswald - Kaisersteig - Ameiswieshütte - Großer Sonnleitstein - Rauchkogel - Heufuß - Nasswald

  Dem Ruf des Berges folgten Alois, Frankie, Heinrich, Igo, Martin, Peter, Roland, Roland, Ronny und Wolfgang in Schüben zwischen Praterstern 06:46, Wien Mitte 06:50 und Meidling 07:05. Der Berg, der diesmal rief, war der Große Sonnleitstein. Ganz geläufig war der Name auch während der Anreise noch nicht: "Großer Sonn... äh... wie?" Die Anreise nach Payerbach verlief fahrplangemäß, mit einem 15minütigen Halt in Wiener Neustadt, wo man sich noch rasch mit fehlenden Bestandteilen des Frühstücks eindecken konnte. Im Anschluss folgte eine 50minütige Busfahrt nach Hinternasswald, die wegen der Aussichten während der Fahrt durch das Höllental als durchaus genussreich empfunden werden konnte. In Nasswald wurde im Vorbeifahren das Gasthaus Raxkönig gesichtet und die Erwartung, in ein paar Stunden hier zu sitzen, löste spontanen Jubel aus. Zentimetergenau passierte der Bus die Engstelle zwischen Nasswald und Hinternasswald (711m), wo um 09:35 der Ausgangspunkt der Wanderung erreicht war.

Hinternasswald kannten einige Teilnehmer schon von der Schneealpe-Tour 2009. Von daher wussten sie, dass es hier außer der Buswendestelle, dem Parkplatz und einigen Häusern nichts gibt, nicht einmal einen Kebab. Dieser Umstand hatte auch die Tourenplanung mitbestimmt, denn während Hinternasswald viele Wanderwege aber kein Gasthaus hat, hat Nasswald ein Gasthaus aber keine Wanderwege. Dazwischen liegen 5 Kilometer Asphaltstraße oder ein Marsch querfeldein über den Rauchkogel, wobei letzteres am Programm stand.

Am Anfang war alles ganz harmlos. Gemächlich ansteigend verlief die Forststraße (ehemaliger Kaisersteig) in Richtung Westen und während der ersten Stunde hatte die Wanderung mehr den Charakter eines Spaziergangs im Gebirgspanorama von Rax und Schneealpe. Das perfekte Wanderwetter bot einen Mix von Sonne und Wolken und angenehme Temperaturen. Nach einem kleinen Abschneider über ein Waldsteiglein ging es weiter der Forststraße entlang, die sich durch pittoreske Felsen in eine Kehre wand, in der ein Bächlein in kleinen Wasserfällen zu Tale plätscherte. Links davon führte ein Steig empor, auf dem nun tüchtig Höhenmeter gemacht wurden. Der Weg verlief oft nah am Bach und war entsprechend nass und rutschig.

Um 11 Uhr war die Ameiswieshütte (1215m) erreicht - leider nur eine unbewirtschaftete Forsthütte der Stadt Wien, aber gut genug für ein Gruppenfoto und für einen im Stehen verdrückten Müsliriegel oder ein Brötchen aus dem Rucksack. Danach ging es weiter steil bergauf durch den Hochwald. Aufgeregtes Vogelgeschrei begleitete die Wandergruppe einen Teil des Wegs und wurde (mit Fragezeichen) als Balzruf interpretiert. Den Teilnehmern setzte die Höhenluft zunehmend zu, denn während sie anfangs noch versucht hatten, den beiden Neuzugängen gegenüber ein gesittetes Bild abzugeben, wurden Bemerkungen und Scherze mit jedem Höhenmeter freizügiger.

Gegen Ende des Aufstiegs tauchte eine markante Felswand auf, die dem Gipfel des Sonnleitsteins zuzuordnen war. Der Weg führte zum Glück um die Wand herum und nicht gerade hinauf. Der Gipfel war um etwa halb eins erreicht, womit die in Hinternasswald angegebene Gehzeit von 3½ Stunden um eine halbe Stunde unterboten war. Somit gab es keinen Grund zur Eile und die Jause wurde ausgepackt.

Das Gipfelkreuz des Großen Sonnleitsteins (1639m) war zwar nicht besonders groß (immer noch besser als das am Hohen Hengst), aber die Aussicht konnte sich mit jedem Gipfel der Umgebung messen. Besonders imposant wirkten die nahe Schneealpe, über der dunkle Wolken wuchsen, und die Rax, mit Heukuppe, Bärenloch, Habsburghaus und Scheibwaldhöhe. Ronny spendierte den Gipfelsiegern eine Runde Sekt und Schokoriegel und glich damit die gastronomischen Mankos der Gegend aus.

Der Weiterweg öffnete nun Entscheidungsmöglichkeiten. Gämsenartiges Weiterklettern am Grat in Richtung Osten wurde als zu unabwägbar verworfen und auch der steile Waldabhang unterhalb der Gipfelfelsen sah nicht einladend aus. Daher ging die Gruppe eine Viertelstunde zurück bis zur Abzweigung zum Franz Jonas Steig Richtung Hinternasswald. Der Steig führte nun östlich absteigend über den Betriegel, der jedoch nicht zum Beten genutzt wurde, sondern für eine Pinkelpause, das Anbinden eines gefundenen Taschentuchs an einen Ast und die Begrüßung entgegenkommender Wanderer, die in dieser Gegend ja nicht so häufig anzutreffen waren. Die Wegbeschaffenheit war steil und rutschig, was den einen oder anderen ungewollten Hinsetzer mit sich brachte und die Frage aufwarf, wie es dann wohl ohne Weg weitergehen würde.

Nach einem halben Kilometer Forststraße unterhalb des unbenannten Gipfels 1352m war dann auch Schluss mit Weg. Eine Schneise im Wald führte über den Suttensattel zum Rauchkogel/Vorhautkogel (1263m), auf dessen sonnenbeschienen Felsen die nächste Rast eingelegt wurde. Während die einen noch ein Brötchen verzehrten, wanderte Roland vor und kehrte mit der beunruhigenden Nachricht zurück, dass es auf der anderen Seite mehr oder weniger senkrecht nach unten ginge. Frankie und Igo zogen als nächste Kundschafter los und fanden heraus, dass in nördlicher Richtung der Grat zwar steil, aber begehbar war. Es gab auch immer wieder Farbmarkierungen an Baumstämmen und Schneestangen, wenngleich keinen Weg im engeren Sinn. Vielmehr hatte man sich den Weg durch Gestrüpp, gefällte Bäume, Steine und Abhänge selbst zu suchen.

Das gelang mehr oder weniger gut. Die Gazellen voran zog die Gruppe den steilen Berg hinab, blieb aber zumindest in den schwierigen Passagen in Hörweite, sodass Nachrichten durch den Hochwald schallten wie: "Scheiße!" - "Da müsst ihr rechts herum" - "Nicht an der Wurzel anhalten, die ist locker" - "Wo ist der Weg?" - "Da ist kein Weg!"

Nach der Karte ermittelt, liegen Höhenlinien und horizontale Distanz nördlich des Rauchkogels in einem Verhältnis von etwa 4:5, was einer Steigung von 80% entspricht. Aufgrund der Unregelmäßigkeiten des Geländes liegt die Steigung stellenweise wohl noch deutlich darüber. Was im Aufstieg und bei trockenen Verhältnissen gut zu bewältigen gewesen wäre, war im Abstieg mühsam, zumal der Boden aufgrund der vergangenen Regenfälle durchnässt war und Wurzeln und Steine von einem schmierseifenähnlichen Film überzogen waren. Die exakt am Grat verlaufende Schneise im Wald mitsamt ihrer Markierungen ist auch nicht als Wanderweg gewidmet, sondern dient der Erhaltung von Grundstücks- und Reviergrenzen.

Der Point of no Return war spätestens um 15 Uhr erreicht, denn ab dann wäre bei einer Umkehr der Bus in Hinternasswald nicht mehr zu erreichen gewesen. Ein Ende war indes noch lange nicht in Sicht, auch wenn nun mitunter tief unterhalb Forststraßen in Sicht kamen. Erreicht wurde letztlich nicht die angepeilte Vogelkirchen (eine markante Felsformation in direktester Entfernung vom Rauchkogel), sondern ein Gehöft im Nasswalder Ortsteil Heufuß, wo ein junger Bursche Informationen über den Weiterweg lieferte.

Neben anderen, schlimmeren Möglichkeiten wäre es bitter gewesen, das Gasthaus in Nasswald (612m) just zu dem Zeitpunkt zu erreichen, an dem der letzte Bus abfuhr. Die Überlebenden des "Mördersteigs" erreichten den Raxkönig jedoch zwischen 16:45 und 17 Uhr. Die Gastwirtschaft, die Notlage der Reisenden erkennend, schaffte es, ein Schnitzel binnen drei Minuten auf den Tisch zu stellen und unterbot damit ihre eigene Prognose (5-30 Minuten) deutlich. So ging sich für alle eine erholsame und stärkende Rast im Gastgarten aus, ehe um 17:36 der Bus Richtung Payerbach (mit dem gleichen Fahrer wie in der Früh) eintraf, um die erschöpften Wanderer Richtung Heimat zu verfrachten.

Peter begleitete die Wienreisenden bis zum Zug, er selbst trat die Fahrt zum Semmering in die entgegengesetzte Richtung an. Der Stop in Wiener Neustadt wurde genutzt um bestehende Bedürfnisse nach Nahrung, Flüssigkeit oder Zigaretten zu stillen. Der Ausstieg der Truppe an den verschiedenen Stationen in Wien verlief in umgekehrter Reihenfolge annähernd so wie beim Zustieg.

Gesamt 980 Höhenmeter Aufstieg, 1080 Abstieg, Gehzeit 6½-7 Stunden je nach Tempo (Pausen abgezogen).


Weitere Tourenberichte und Bilder können über die Chronik aufgerufen werden.

 

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