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Frankie hatte sich erlaubt,
wegen unsicherer Wetterprognosen die
Reisalpen-Wanderung abzusagen. Für mich ein
klarer Hinweis, dass zu Pfingsten keinerlei
Kondition von mir verlangt würde. Bis Roland
mich am Samstag anSMSte um mich zu informieren,
dass er ausgehen würde und ob ich auch
käme. 20:00 im Rifugio. Klar! Sonntag
ausschlafen! Um genau 20:05 erklärte er mir bei
meinem bereits 2. Spritzer, dass ich am Sonntag
um 8:30 am Westbahnhof zu sein hätte, um mit ihm
eine ganz leichte, gemütliche Tour
zu machen. Er hatte schon reserviert. Es
wäre nötig gewesen, denn laut Wirt wurde
auf der Traisenhütte eine
Pilgergruppe erwartet. Also
frühzeitig den netten Abend beendet und ab zum
Rucksack packen.
Pfingstsonntag 31.Mai
Abfahrt knapp vor neun nach Sankt Pölten und
weiter mit einem Bummel-Triebwagen nach
Lilienfeld (383m). Einziger Höhepunkt war ein
dunkler Typ mit leicht brutalen Gesichtszügen,
aber laut Roland zu behaart, er müsste sich
schon die Brusthaare trimmen. Wir waren aber
ohnehin nicht Teil seiner Zielgruppe.
Die Frage an die Fahrdienstleiterin, wo es
lang ginge, hätten wir uns sparen können. Sie
war nicht von da. Eisenbahner sind
nie von da! Aber sie wusste zumindest
den Weg zum Bankomat.
Und um 10:40 stapften wir mit schweren Schuhen
und ebenso schweren Rucksäcken los. Kurz bergauf
und über den Exingerweg parallel zur Traisen
Richtung Stilles Tal. Ein eher
unhandlicher Weg, der über eine Schlägerung
führte und immer wieder kleine Tücken hatte,
dafür aber jene Blumenvielfalt aufwies, wie man
sie sonst nur an selten gemähten Bahndämmen
findet. Dann das Bächlein entlang hinauf zum
Glatzwiesensattel. Von dort über den eher
steileren Jägersteig, mit zum Teil herrlicher
Fernsicht, bis zur Lilienfelder Hütte (956m).Um
¼ 2 Ankunft und gleich einmal Radler,
Leberknödelsuppe und Linsen mit Knödel
bestellt. Nette dralle junge Wirtin, mit feschem
jungen Wirten.
Nachdem ich mich den ganzen Aufstieg mit der
Frage gequält hatte, ob die Pilgergruppe
entweder in der Gaststube der Traisenhütte oder
im dortigen Bettenlager mit Abendgebet und
klerikalen Gesängen den geglückten Aufstieg
zelebrieren würde, war ich etwas sensibel und
plötzliches Glockengeläute warf mich fast um.
Roland meinte es käme vom Stift, aber da hätte
dieses in der Küche sein müssen. Ich dachte an
eine Bergkapelle hinterm Wald oder zumindest eine
dramatisch-rustikale Unwetterwarnung. Es war das
Handy vom Nachbartisch. Und er erklärte dem
Anrufer, dass er sein Foto in der Presse gesehen
hätte und wenn ich schwul wäre, würde
ich mich glatt in dich verknallen. Wir
blätterten sofort in der einzigen uns
zugänglichen Postille, nämlich der
Kronen-Zeitung, aber da fanden wir nur den
Schönborn, der zwar zu den Klingeltönen gepasst
hätte, nicht aber zu obiger Bemerkung. Wieder
was versäumt.
Frustriert von unbefriedigter Neugierde,
machten wir uns knapp vor 2h auf den Weiterweg,
vorbei an der Bergrettungshütte über eine
schöne Almwiese (Lilienfelder Gschwendt) mit vom
Wind bizarr zerzausten Bäumen Richtung
Muckenkogel. Im Westen herrliches Bergpanorama
mit verschneiten Gipfeln. Eine junge Wanderin
erklärte uns einige und zog forschen Schrittes
weiter. Wir trotteten etwas mühseliger
hinterher, erklommen aber dafür den Muckenkogel
(1248m). Was von der Ferne aussah wie eine
überdrüber Aussichtswarte mit
Panoramarestaurant, entpuppte sich als schlichte
Richtfunkstation der Post Betreten
verboten. War auch außer uns kein
Schwein da. Allerdings ist dort auch der
Klösterpunkt, von dem aus man bei klarer Sicht
Melk, Göttweig, und Herzogenburg sehen kann.
Lilienfeld ist vom Berg verdeckt und dass man den
Stephansdom sieht, kann ich nicht glauben. Aber
wir orteten Melk, und St. Pölten. Göttweig
konnten wir nur erahnen.
Danach ein Stück bergab und schließlich
über den Gratweg zur Traisnerhütte
(1313m). Mittlerweile 8° und 80%
Luftfeuchtigkeit, einige Tropfen auf den letzten
Metern, aber trotzdem tolle Fernsicht vom
Schneeberg über die Veitsch bis zum Ötscher.
Schon um ¼ 4h lautes Johlen und Quietschen aus
der Stube. Vermutlich die Pilgergruppe. Nein doch
nicht! Es waren 2 Geburtstagsfeiern. Peter der
Wirt meinte huckts eich wo zuwe und gebts a
Ruah, notierte unsere Ankunft und nahm
unsere Bestellung für 2 Häferlkaffee (sehr gut)
entgegen. Ein Mann hatte seinen
dingsundvierzigsten am Vortag, aber Hildegard
genau am Pfingstsonntag ihren
dingsundfünfzigsten und war daher laut
Hüttenwirt ein punktgenaues Mädel.
Mädchenhaft war sie nicht mehr, aber schon etwas
rotwangig wie alle anderen auch und voll in
Fahrt. Auch wie die anderen. Dazu gab es
Akkordeonmusik ergänzt durch eine Teufelsgeige
(Tamburin und Kuhglocke auf einem Stock) und den
lauten Gesang der Gäste. Raucher müssten in den
Vorraum und konnten sich dafür dort unterhalten,
weil es leiser war. Die Wanderin, welche uns am
Weg das Panorama erklärte hieß Karin, war
einige Zeit Air-Hostess bei Lauda, hat Sport und
Mathematik studiert und ist jetzt glücklich
(sagte sie) in Lilienfeld als Lehrerin gelandet.
Wir machten noch einen fast einstündigen
biologischen Erkundungsgang über Hinteralm und
Steinleiten Richtung Reisalpe, während noch
Läufer und knackige Mountain-Biker in
farbenfrohen engen Dressen, alle dem Alkohol
nicht abgeneigt, die Hütte weiter füllten. Der
Großteil war aus Lilienfeld, einige aus Kilb,
Mank und Melk und eine kam aus Kautzen im
Waldviertel. Kautzen? Wo ist das?
ganz obn bei Gmünd?
Na! Ganz obn Wo ist obn?
Na an da Grenz Gmünd is a an
da Grenz
.
Peter lud uns auf ein Schnapserl ein und
Roland revanchierte sich mit Zapferln
(Zirbenschnaps im Portionsfläschchen) und so
gegen ½ 7 begannen die ersten mit dem Aufbruch.
Die Radler etwas später, denn in 10
Minuten samma untn!. Hildegard wollte
unbedingt meine Wanderstöcke, weil sie ihre
nicht fand. Ich wäre mit dem Tausch vermutlich
gar nicht so schlecht gefahren. Ein junger
weiblicher Gast gab sich auf der Terrasse einem
Frischluftschock mit Relingkotzen hin und ließ
sich dann im Auto talwärts fahren.
Über die Nacht blieben nur ein Ehepaar und
wir. Von der Pilgergruppe war weit und breit
nichts zu sehen. Vermutlich ein Wunschdenken von
Peter. Vielleicht hätte er gerne hin und wieder
(aber nicht zu oft) klerikales Ambiente, wo
er doch während des Abends einmal meinte:
der, der über euch wohnt, wird euch
beschützen.
Nach Kaspreßknödel-Suppe und Wurstknödel
verzogen wir uns in unser 5-Betten-Gemach.
Pfingstmontag 1. Juni
In der Nacht gab es starken Regen, der Morgen
war mit 5° etwas frisch und der Nebel nahm jede
Sicht. Frühstück (wieder der gute Kaffee mit
Brot, Wurst, Käse, Margarine und Marmelade)
gemeinsam mit dem Ehepaar, das über die Reisalpe
nach Lilienfeld gehen wollte. Er hatte am
Vorabend eine Jacke vermisst. Der Wirt von der
Lilienfelder Hütte kam mit einem zerschundenen
und verdreckten Radler im Schlepptau und brachte
das fehlende Stück und den noch immer etwas
schrägen Biker danach nach Lilienfeld zu dessen
Bruder, der ihn, wie wir später erfuhren, gleich
ins Krankenhaus weiterfuhr. Die zehnminütige
Talfahrt dauerte für einige doch etwas länger!
Vermutlich haben nicht alle einen der über
ihnen wohnt.
Abmarsch um 9 Uhr. Eigentlich wollten
wir über die Wiese gehen, doch Peter meinte wir
wären dann nach 5 Minuten nass bis zu den Knien
und der Gratweg wäre besser. Gerade den hatten
wir am Vortag als ungeeignet für den Abstieg
betrachtet, wollten uns aber keine Blöße geben.
Doch war er halb so schlimm, als wir befürchtet
hatten. Unterwegs graziles Tänzeln zwischen
Kuhfladen und schließlich mitten in der Wiese
das Fahrrad des gestürzten Radfahrers, der sich
in der Nacht zur Lilienfelder Hütte geschleppt
und die Wirtsleute aus dem Schlaf gerissen hatte.
Roland erbarmte sich und schob das kampferprobte
Gerät über die Alm zur Hütte.
Unterhalb der Lilienfelder Hütte ging es
wieder über Wiesen mit dem aussagekräftigen
Namen Suttn, denn ehe wir
in den Waldsteig zum Großen (oder
Lindenbrunner) Wasserfall einbogen,
mussten wir eine riesige aufgeweichte und
Kuhfladen getränkte Senke durchqueren. Schmatz!
Der Wasserfall hat sich trotzdem gelohnt. Zwar
kein Vergleich zu Krimml, aber die umher
liegenden Baumstämme zeugten von der Kraft, die
der kleine Bach entwickeln kann. Und der steile
Serpentinenweg war hervorragend gesichert.
Durch den Fallgraben schließlich auf die
Straße, wo ein entgegenkommendes Auto kurz
hielt. Es waren zwei Gäste vom Vorabend. Nach
kurzem Schwatz weiter an den Forellenteichen, von
denen ein Schwarzstorch hochstieg, vorbei nach
Lilienfeld, wo wir um ¼ 12 landeten.
Die von Roland ersehnte Kulturglasur in Form
einer Stiftsführung war erst um 14:00, also ab
in den Gasthof zum Schützen gleich
neben dem Bahnhof. Von aussen eher nichts sagend,
erwies sich der Laden als beliebtes Restaurant,
mit netter Bedienung und ausgezeichnetem Essen.
Radler, Frittattensuppe, Leberknödelsuppe (eh
klar!) Jägergulasch und Surschnitzel. Das Lokal
ist eine Einkehr wert.
Dann zurück zum Stift. Die schweren
Rucksäcke durften wir bei der Kassa lassen und
konnten somit all unsere Energien in die
Erweiterung unseres Wissens investieren. Etwa die
Unterschiede zwischen Benediktinern,
Zisterziensern und Trappisten, oder dass Josef
II. fast alles was mehr als ein Kruzifix hatte
schließen ließ und so weiter.
Vor Abfahrt ging sich noch ein Bummel durch
den Ort und eine Eis beim Felbermayr
aus. Irgendwas chices mit Baiser für Roland und
drei schlichte, bunte Kugeln für mich.
Abfahrt knapp vor 16:00 nach Sankt Pölten, wo
gleich gegenüber ein verspäteter Zug
abfahrtbereit war. Allerdings randvoll. Da wir
noch Upgrade-Gutscheine der ÖBB hatten,
quetschten wir uns vom letzten zum ersten Wagon
durch die Menge und genossen etwa ab
Böheimkirchen breite Ledersitze und große
Beinfreiheit. Danke liebe Bahn!
Knapp nach ¼ 6 waren wir etwas müde in
Hütteldorf. Rund 5 ½ Stunden in zwei Tagen ist
nicht unbedingt Extremsport. Aber 930m
Höhendifferenz sind auch kein Einkaufsbummel.
Rainer
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