Bei der Menschentraube, die sich um 9 Uhr vor dem
Bahnhof Wien Mitte gebildet hatte, handelte es
sich nicht um begeisterte Radfahrer, die gekommen
waren, um bei prachtvollem Maiwetter eine
Ausfahrt auf die Hohe Wand zu unternehmen,
sondern um zufällige Reisende, die Peters E-Bike
bestaunten und seinen Erläuterungen auf Deutsch
und Englisch lauschten. Nachdem sich die
Schaulustigen zerstreut hatten, blieben Frankie
und Peter über. Andere Tourenmänner ließen
sich nicht blicken - die waren wohl entweder vom
Life-Ball geschafft oder hatten sich von der zu
erwartenden Steigung abschrecken lassen.
Reisen mit Rad und ÖBB ist
bekanntlich nicht ganz stressfrei, da man z.B.
nie weiß, ob das Fahrradabteil vorne oder hinten
am Zug ist. Diesmal war es in der Mitte. Nach
Umsteigen in Wiener Neustadt kam der Zug um 10:55
in Markt Piesting (349m) an und die Tour begann.
Nach nur einer halben Stunde Fahrzeit war
Dreistetten (528m) erreicht. Schöner Blick auf
den nordöstlichen Teil der Hohen Wand und auf
die Ruine Starhemberg. Nun galt es die
Forststraße zu finden, die als
"Notabfahrt" bei einer Sperre der
Mautstraße den Autofahrern das Verlassen der
Hohen Wand ermöglicht. Angeschildert war sie
nicht, aber mit Kartenstudium und etwas
Rätselraten ließ sich der Weg schon finden. An
Kreuzungen traf man zudem immer wieder auf
ortskundige Wanderer, die Auskunft geben konnten.
Die Straße führte zunächst durch Wiesen, dann
durch schönen Mischwald in Serpentinen am
Nordende der Hohen Wand empor. Mit etwas
E-Unterstützung legte Peter ein Mordstempo vor,
das Frankie keuchend nicht mithalten konnte.
Insgesamt war dieser härteste Teil der Auffahrt
aber halb so schlimm wie befürchtet. Es ging
zwar zäh bergauf, aber die Forststraße war gut
befahrbar, die Gegend war schön und die Aussicht
wurde mit zunehmender Höhe immer interessanter.
Noch schien die Sonne, doch im Westen türmten
sich Gewitterwolken auf und aus Richtung
Gutenstein klang fernes Donnergrollen.
Um 12:40 war das Herrgottschnitzerhaus (826m)
erreicht. Österreichisch/ungarische
Hausmannskost und eine Terrasse mit Panoramablick
ließen den Ort geeignet für eine Mittagsrast
erscheinen. Ein Espresso rundete das Mal ab und
nach einem Abstecher zum Aussichtspunkt 20 Meter
vor der Hütte ging die Fahrt um 14:10 weiter.
Inzwischen hatten die Wolken auch den Norden der
Hohen Wand erreicht und es nieselte leicht. Die
weitere Fahrt führte auf asphaltierten Straßen
über die Hochfläche - wobei
"Hochfläche" ein nicht ganz
zutreffendes Bild vermittelt, denn es war mehr
hügelig als flach. Erst ging es hinauf, dann
hinunter zur Einmündung der Mautstraße, dann
wieder bergauf Richtung Naturpark. Die sehr
angenehme und nicht übermäßig frequentierte
Straße führte durch Wälder und vorbei an
Wiesen, auf denen übermütige Stiere
herumtollten. Das Angebot rund um das
Naturparkhaus wurde keiner näheren Besichtigung
unterzogen, stattdessen ging es gleich weiter
bergauf bis zum Kleinkanzelhaus (1065m). Damit
war um 15:10 der höchste Punkt der Tour und auch
das Ende der Straße erreicht. Peter hatte die
Zuschaltung von Motorleistung perfekt dosiert,
denn die Batterieanzeige seines E-Bikes blinkte
im letzten Fünftel. Auf eine Einkehr wurde
verzichtet, dafür aber eine längere Rast auf
einem Bankerl mit Schneebergblick eingelegt. Die
Gewitterwolken hatten sich verzogen und die Sonne
kam wieder hervor.
Ein Vorteil des Radfahrens ist,
dass man für die bezwungenen Höhenmeter eine
Energiegutschrift erhält, die in Geschwindigkeit
umgetauscht werden kann. Batterien waren für die
Rückfahrt nicht nötig, denn abgesehen von ein
paar harmlosen Zwischensteigungen ging es fast
nur noch bergab. Am Programm stand noch ein
Abstecher zum Skywalk. Die Aussicht dort wäre
zwar auch ohne die Stahlplattform beeindruckend
gewesen, aber der Blick in die Tiefe war schon
faszinierend. Im Himmel darüber tummelten sich
Paragleiter.
Zu der 1931/32 erbauten
Mautstraße und der dadurch erfolgten
Erschließung der Hohen Wand für den
Ausflugsverkehr kann man verschiedene Meinungen
haben. Ein eindurcksvolles Straßenbauwerk stellt
sie jedenfalls dar und die Abfahrt war wohl das
Highlight der Tour. Über Serpentinen und ein
langes gerades Straßenstück unterhalb der
Felswand ging es hinab zum 300 Meter tiefer
gelegenen Mauthaus (495m). Die verbliebene
Höhenmeter-Gutschrift verteilte sich
gleichmäßig und gestattete ein flottes und
müheloses Vorwärtskommen. Zunächst nach
Stollhof, dann über eine Nebenstraße zum Fuß
des Emmerbergs und durch die Prossetschlucht nach
Winzendorf (327m), Ankunft 17:30. Die gute halbe
Stunde bis zur Abfahrt des Zugs wurde im
Gastgarten eines Cafés nahe beim Bahnhof
zugebracht.
Resümee: Es handelte es sich um
eine nicht alltägliche, aufgrund der Steigungen
anstrengende, jedoch nicht extreme Radtour. Für
die Anstrengung wurden die Teilnehmer mit
abwechslungsreichen Landschaftseindrücken,
traumhaften Aussichten und einer schönen
Bergstraße belohnt. Die Streckenlänge betrug
29km bei einer Höhendifferenz von 750m, Fahrzeit
ohne Pausen etwa 3½ Stunden.
Weitere Tourenberichte und Bilder können
über die Chronik
aufgerufen werden.
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