Groß war die Gruppe der Radsportler nicht, die
um 07:25 vom Franz Josefs Bahnhof die Fahrt nach
Allentsteig antrat - sie bestand nämlich nur aus
Frankie und Peter. Beide hatten keine Mühen
gescheut, die Tour mit brauchbarem Fahrmaterial
anzutreten. Frankie hatte noch in der Vorwoche
den Rahmenbruch seines alten Tourenrads
schweißen lassen und Peter hatte sich ein
24gängiges Mountainbike mit Scheibenbremsen und
Federung ("das ist kein Fahrrad, das ist ein
Hutschpferd!") ausgeborgt, da sein eigenes
Rad am Semmering weilte.In der Gegend um
Irnfritz färbte sich der Himmel dunkelgrau und
Regen begann gegen die Zugfenster zu prasseln.
Die beiden machten sich schon auf das Schlimmste
gefasst, doch als sie in Allentsteig (Höhe 550m)
um 09:12 dem Zug entstiegen, hatte der Regen auch
schon wieder aufgehört.
Die Straße in den Ort war beschildert und
leicht zu finden, aber danach fuhren sie ein
kurzes Stück in die falsche Richtung und bekamen
als Bonus den Anblick von Allentsteig aus
Richtung Zwinzen zu sehen. Also retour und
richtig abgebogen. Auf der Straße durch den
Truppenübungsplatz herrschte praktisch kein
Verkehr. Die Radfahrer wurden nicht mit Granaten
beschossen, fesche Soldaten bekamen sie aber auch
nicht zu sehen. Die Straße führte durch Wald-
und Moorlandschaften und die größte
Herausforderung bestand darin, querenden
Weinbergschnecken und Fröschen auszuweichen. Der
Himmel war immer noch bedeckt und nach dem Ende
des Truppenübungsplatzes bei Döllersheim begann
es zu nieseln - der richtige Zeitpunkt, um das
Auspacken der Regenjacken zu üben. Aus der Ferne
Blasmusik - "Hier möchte ich nicht begraben
sein". Exakt zum Ende der Übung hörte der
Regen auf, also packten die beiden die
Regenjacken wieder ein und fuhren ohne weiter.
Schön abschüssig auf regennasser Straße
ging es nun auf die Sperre Ottenstein (Höhe
445m) zu. Am Fuß der Staumauer legten sie eine
kurze Pause ein, bewunderten das Bauwerk, die
ausgestellte Turbine und den nicht
funktionierenden Trinkwasserbrunnen.
Am Ufer des Kamp (richtig, "der
Kamp" und nicht "die Kamp") und
des Dobra-Stausees entlang führte eine Straße
mit abwechslungsreicher Aussicht, unter anderem
auf die Ruine Dobra auf der gegenüberliegenden
Seite des Sees. Die Lufttemperatur war zum
Radfahren angenehm, lud aber nicht wirklich zum
Baden ein, die Wassertemperatur vermutlich auch
nicht. In schneller Fahrt bergab wurde Krumau am
Kamp (370m) erreicht. Es war nun kurz vor Mittag
und 30 Kilometer waren bisher zurückgelegt. Die
anstrengendste Etappe stand noch bevor, daher kam
eine Mittagspause nicht in Betracht.
Nach kurzem Rätselraten (sie waren nicht mit
dem besten Kartenmaterial ausgestattet)
entschieden die beiden Radwanderer, einen Bogen
in südlicher Richtung einzuschlagen, um an das
andere Ende des Thurnberger Stausees zu gelangen.
Die Straße führte gleich einmal steil bergauf
nach Preinreichs (487m) und auf Nebenstraßen
nach Eisenberg. Nun mussten ein paar Kilometer
auf der Bundesstraße zurückgelegt werden, zum
Glück in einem abschüssigen Abschnitt, der
entsprechend schnell bewältigt war. In Wegscheid
(350m) querten sie den Kamp und rasteten kurz in
der Wiese. Die Bewölkung hatte sich weitgehend
verzogen, die Sonne knallte herunter und es wurde
schwül.
Auch für den nächsten Abschnitt gab es
keinen befahrbaren Weg direkt entlang des Kamp,
daher mussten sie das Hügelland queren. Über
zähe Steigungen kämpften sie sich nach St.
Leonhard am Horner Wald (581m) empor. Als Lohn
für die Mühe gab es eine schöne Aussicht ins
Waldviertel hinein. Nun war aber eine Stärkung
fällig, denn es war 14 Uhr, sie hatten 50
Kilometer hinter sich und der höchste Punkt der
Strecke war erreicht. Peter warf einen prüfende
Blick in die Runde und steuerte zielsicher den
Mayerwirt an, was sich als gute Wahl erwies.
Unter dem Sonnenschirm im Gastgarten ließen sie
sich das Essen (Zander / gebackene Pilze) gut
schmecken und gönnten den Oberschenkeln eine
Stunde Ruhe.
Teilweise steil abschüssig und ohne größere
Gegensteigungen ging die Fahrt 10 Kilometer
weiter nach Gars am Kamp (244m). Nun standen noch
etwa 25 Kilometer am Kamptalradweg bis Hadersdorf
bevor. Anfangs verlief der Radweg wenig attraktiv
am Gehsteig neben der stark befahrenen
Bundesstraße, in Buchberg wechselte er aber auf
die andere Seite des Kamp und führte als
idyllisches Wegerl nahe am Fluss weiter. Der
grobschotterige Belag gab Peters Mountainbike
endlich einen Verwendungszweck, aber auch
Frankies Tourenrad hielt sich mitsamt
Schweißnaht tapfer. Vor Stiefern gab es noch
einmal eine Anhöhe mit mörderischer Steigung zu
überwinden, an deren Scheitelpunkt sich ein
schattiger Rastplatz gerade an der rechten Stelle
befand und Gelegenheit bot, Anekdoten über
verschiedene Beschwerdefälle auszutauschen.
Dafür wurden im Anschluss die einladenden Bänke
der Heurigen in Stiefern ignoriert und die Fahrt
führte auf der anderen Flussseite weiter nach
Schönberg am Kamp. Hier verlief der Radweg durch
Weingärten und kleine Ortschaften am ostseitigen
Hang des Kamptals.
Langsam machte sich Müdigkeit bemerkbar, denn
die nächste Rast legten sie bereits in Zöbing
auf einem Bankerl ein. Gleich darauf verirrten
sie sich, denn nach einer Runde durch Zöbing
gelangten sie wieder zu dem Bankerl zurück. Im
zweiten Anlauf klappte es, sie überquerten ein
letztes Mal den Kamp und fuhren nach Langenlois
und vom Hauptplatz aus weiter über Gobelsburg
nach Hadersdorf (202m), wobei Peter unterwegs der
Versuchung durch die vollreifen Früchte der
Zwetschkenbäume nicht widerstehen konnte.
Der Bahnhof war um 18:50 erreicht, um 19:11
ging der Zug. Das kleine Fahrradabteil war
bereits überfüllt, also zurrten sie ihre Räder
mit einem Expander im Einstiegsbereich fest,
woran auch der Schaffner nichts auszusetzen fand.
Der Zug kam mit leichter Verspätung um 20:10 am
Franz Josefs Bahnhof in Wien an und Peter beeilte
sich heimzukommen, da sein Mountainbike kein
Licht hatte.
Mit der sportlichen Leistung, 85 Kilometer
durch hügeliges Gelände, konnten beide
zufrieden sein. Landschaftlich hat die Tour viel
geboten, da sie sehr abwechslungsreich durch
Flusstäler und über Hügel führte, vorbei an
Wäldern, Wiesen, Seen und Felsen. Das Wetter hat
fein mitgespielt, denn die paar Regentropfen
waren zählbar. Badehose und Handtuch haben sich
als überflüssige Gepäckstücke erwiesen,
Fahrradwerkzeug und Verbandszeug zum Glück
ebenso. Peter brachte seine Brote mit
Kichererbsenaufstrich wieder mit nach Hause und
Frankie hat seinen Fotoapparat mehr
spazierengeführt als benutzt.
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