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Nicht frei von Komplikationen
gestalteten sich die Tourenvorbereitungen. Da das
Schiestlhaus am Hochschwab zu den begehrtesten
Schutzhütten Österreichs zählt, erfolgte die
Reservierung schon im Mai. Von da an bis zum Tag
vor der Abfahrt war die Liste der Teilnehmer in
ständigem Fluss. Acht meldeten sich an, vier
meldeten sich ab, neun meldeten sich dazu und
zwei reservierten ihren Schlafplatz auf eigene
Faust. Der Bus, der die Gruppe von
Tragöss-Oberort nach Bruck an der Mur hätte
bringen sollen, hörte im Online-Routenplaner der
ÖBB plötzlich zu existieren auf - und damit
auch die geplante Route. Die Wetterprognose war
für Sonntag akzeptabel, für Montag aber
schlecht, mit Gewittern und intensivem Regen.
Uneinigkeit herrschte unter den Wetterfröschen
nur in der Frage, ob der Regen schon am Morgen
oder erst zu Mittag einsetzen würde. Auch die
Anreise verlief nicht ohne Komplikationen, denn
während neun um 06:02 mit dem IC von Wien
Meidling abfuhren und drei in Kapfenberg
dazustießen, versäumten drei den Zug in Wien
und kamen mit dem nächsten Zug nach, wobei ein
Taxi sie bis zum Parkplatz im Seetal (942m)
brachte, sodass sie die Hauptgruppe schon um etwa
10 Uhr einholen konnten. Nun war aber Schluss
mit Komplikationen und es wurde gewandert. Die
Gruppe war 15 Mann stark, nämlich Alfred,
Christian, Frankie, Günther, Helmut, Herbert,
Igo, Jochen, Karl, Matthias, Oliver, Roland,
Ronny, Tony und Werner,
begleitet von den Hunden Emmi und
Shadow. Das Wetter wurde immer
freundlicher, denn der Hochnebel lichtete sich
und gab den Blick auf imposante Felswände und
Gipfel frei, die Geschirrmauer zur Linken, die
Böse Mauer zur Rechten. Der steiler werdende Weg
führte im tief eingeschnittenen Tal der Unteren
Dullwitz empor zur Voisthalerhütte (1654m), sehr
schön gelegen oberhalb eines Kessels und
unterhalb steiler Felswände. Hier wurde eine
knapp einstündige Rast eingelegt, um sich für
den weiteren Aufstieg zu stärken.
Wenn eine Gruppe von 15 Personen sich nach
einer Rast wieder in Bewegung setzt, machen sich
unterschiedliche Zeitbedürfnisse bemerkbar, denn
während die einen noch kaum das Teller geleert
haben, scharren die anderen schon abmarschbereit
mit den Wanderschuhen. So kam es, dass bereits
der Aufbruch von der Hütte um 13:10 im gedehnten
Gänsemarsch erfolgte und Günther, Helmut, Karl
und Werner übersahen, dass die Hauptgruppe
Richtung Jägermayersteig und Ochsenreichkar
abzweigte. An sich kein Problem, denn beide Wegen
führen zum Schiestlhaus.
Diese Variante des Aufstiegs war beschlossen
worden, da man gut in der Zeit lag und der Umweg
als lohnend galt. Das war er tatsächlich, denn
er führte durch eine schöne alpine
Berglandschaft mit vielen Dolinen, Latschen und
Wiesen um den Wetterkogel herum zum westlichen
Ende der Aflenzer Staritzen. Die vielen
Zwischenhöhen bereicherten den Aufstieg auch um
einige Höhenmeter. Nach Besichtigung einer
trockenen Quelle und Begegnung mit einer
10köpfigen Frauengruppe unter Führung eines
älteren Herren wurde das Ochsenreichkar
beschritten und in teilweise zäher Steigung um
16:20 das Schiestlhaus (2158m) erreicht. Die vier
Vermissten, die den Graf Meran Steig gegangen
waren, waren schon früher dort.
Das Schiestlhaus machte einen guten Eindruck:
zweckmäßig, hell und freundlich, mit
komfortablen Zimmern und Lagern ausgestattet und
von einer netten Hüttenmannschaft betreut. Vom
Eindruck her mehr Alternativpub als klassische
Berghütte, auch die Auswahl der Hintergrundmusik
betreffend, was von manchen als durchaus
wohltuend empfunden wurde. Im Detail offenbarte
der Aufenthalt auch ein paar Mängel, denn
WC-Anlagen und Waschräume waren zu knapp
ausgelegt und die Hüttenmann- bzw. -frauschaft
wirkte bei der Abwicklung des Betriebs ein wenig
umständlich. Zur Entschuldigung sei freilich
auch bemerkt, dass das Schiestlhaus unter
Zuhilfenahme der Notquartiere im Gastraum
ziemlich überbelegt war.
Ein Drink auf der Terrasse mit Blick auf den
nahen Hochschwabgipfel im warmen Sonnenschein war
jedenfalls besonderer Genuss. Mit Erleichterung
wurde die Auskunft vernommen, dass die
Schlechtwetterfront am Montag sich einen halben
Tag verspäten dürfte und bis Mittag mit guten
Bedingungen zu rechnen sei. Der etwa halbstündig
Aufstieg zum Gipfel wurde noch vor dem Abendessen
absolviert. Nur Shadow beschloss, für heute
genug vom Berg zu haben, daher blieb auch Alfred
unten, gab den Aufsteigern aber ein Flascherl
Kräuterschnaps aus DDR-Produktion zur Stärkung
mit.
Am Gipfel war es wider Erwarten fast windstill
und im Sonnenschein warm. Die Fernsicht war nicht
brilliant, ausreichend aber für einen schönen
Blick auf Ötscher, Göller, Schneealpe, Rax und
Schneeberg. Nur geraten werden konnte die
Silhouette des Dachstein. Zur Gipfelfeier hatte
Ronny zwei Flaschen Rotkäppchensekt eingepackt
und auf 2277 Meter Höhe geschleppt. Danach gab
es Alfreds Kräuterschnaps, das obligatorische
Gipfelfoto, Jochen dichtete einen schönen
Gipfelbucheintrag und beschwingt wurde der
Rückweg zum Schiestlhaus angetreten.
Während die Sonne unterging, gab es
Abendessen. Zur Auswahl standen Lammragout mit
Rosmarinkartoffen, zwei Nudelgerichte,
Steirisches Ritschert, und verschiedene Suppen
und Nachspeisen. Mit Qualität und Menge waren
alle zufrieden, die Abwicklung der Bestellung
dauerte mehr oder weniger lang und wurde gespannt
und mit knurrendem Magen verfolgt. Unterdessen
wurde es draußen Nacht und ein heller Vollmond
stieg empor. Vielleicht zusammenhängend damit
konnten seltsame Beobachtungen gemacht werden,
etwa vier Leute, die lachend und kreischend
Menschärgeredichnicht spielten, zum Weinen auf
die Terrasse gingen und danach weiterspielten.
Nicht nur zum Weinen und Rauchen war die Terrasse
beliebt, denn der Blick in die Berglandschaft bei
Vollmond war immer wieder überwältigend. Am
westlichen Horizont ballte sich eine Wolkenbank
zusammen, aus der gelegentlich Blitze leuchteten.
Nach einer im Großen und Ganzen guten Nacht
("Ich habe dich gar nicht kommen
gehört") erhob sich die Gruppe zwischen
06:00 und 06:15 aus den Federn und versammelte
sich zum Frühstück. Gebannt wie im Theater
wurde auf das Heben des Vorhangs vor der Theke
gewartet, die Abfertigung der langen
Warteschlange war dann freilich nichts für
schwache Nerven und ein paar verzichteten auf
Bestellungen und verzehrten Mitgebrachtes.
Hatte sich der Himmel in der Früh noch
strahlend blau präsentiert, zog während des
Frühstücks eine Wolkendecke auf. Der Abmarsch
erfolgte zwischen 07:50 und 08:00 mit dem
gewohnten Phänomen der Früh- und Spätstarter
im gedehnten Gänsemarsch. Emmis Pfoten mussten
bandagiert werden, da sie von den spitzen Steinen
arg mitgenommen waren.
Der Plan bestand darin, in Hinblick auf die
unsichere Wetterentwicklung rasch in tiefere
Gebiete abzusteigen, möglichst nicht den
gleichen Weg wie beim Aufstieg zu gehen und zu
einem Ort mit Busverbindung zu gelangen. Diesen
Anforderungen entsprach die Route über die
Fölzalm nach Aflenz. Bei kühlem Wind und
wolkenverhangenem Himmel ging es über den Graf
Meran Steig zunächst zur Voisthalerhütte, wobei
unterwegs viele Gämsen und Murmeltiere zu
beobachten waren. In der Voisthalerhütte gab es
um 09:45 ein zweites Frühstück und der Wirt
wurde zum Weiterweg befragt. Die Auskunft klang
ermutigend: in etwa zweieinhalb Stunden sei man
unten im Tal. Abmarsch eine halbe Stunde später
über den Ochsensteig, der sehr schön am Fuß
einer fast senkrechten Felswand zum Fölzsattel
führte. Weiter durch ein schönes Hochtal
zwischen mächtigen Felswänden zur Fölzalm
(1484m), bei der es eine aufdringliche Kuhherde
abzuwehren galt. Seit der Voisthalerhütte war
kaum eine Stunde vergangen, daher erforderte es
eine Beratung, ob der Versuchung einer weiteren
Einkehr nachgegeben werden sollte. Die Zeit
schien nicht zu drängen, denn der erste Bus fuhr
erst um 15:15 und das Wetter sah nicht bedrohlich
aus - im Gegenteil, es kam wieder die Sonne
hervor. Das sprach alles für eine Einkehr, die
auch niemand bereute, denn es gab gutes Essen in
traumhafter Bergkulisse. Der Name Fölzalm geht,
so die Auskunft der Hüttenwirtin auf Alfreds
Frage, auf einen alten Bärtigen namens Fölz
zurück.
Um 12 Uhr folgte der weitere Abstieg über
einen steilen schotterigen Weg, alles in allem
lang, rutschig und mühsam. Naja, es waren eben
auch noch 700 Höhenmeter bis zum Tal
abzuarbeiten. Emmis Pfotenbandagen mussten
mehrmals nachgebessert werden. Am Himmel blieb es
wechselnd bewölkt, unterhalb der Baumgrenze
wurde es windstill und schwül, im Rücken
brauten sich über dem Hochschwab dunkle Wolken
zusammen und einmal klang Donnergrollen vom Berg.
Der Weg führte hinab zu einem zunächst
trockenen, dann seicht gefülltem Bachbett und
drei unter mysteriösen Umständen verschwundene
Nachzügler gaben hinterher an, sie hätten ein
Bad genommen. Nach dem Durchschreiten der
Fölzklamm mit einer längs über den Bach
gezimmerten Bohlenbrücke folgte noch ein
einstündiger Straßenhatscher. Zwar führte er
über Nebenstraßen, aber Autofahren scheint die
Lieblingsbeschäftigung der Aflenzer an
Feiertagen zu sein, denn alle paar Minuten kam
ein Auto vorbei. Beim Jagawirt (700m) hätte man
die Gruppe gerne in ein ländliches Besäufnis
mit Musik integriert, was von Matthias aber mit
dem Hinweis abgeschmettert wurde, man hätte
einen Termin. Zur Ortsmitte von Aflenz (763m)
ging es noch ein wenig empor, die Bushaltestelle
war um 15:00 erreicht. Günther und Helmut
organisierten sich ein Eis, die anderen brachten
ihre müden Glieder im Umfeld der Haltestelle in
irgendwelche Ruhestellungen. Der Bus kam
pünktlich, fuhr aber verspätet ab, weil die
Ausgabe eines Gruppentickets die Fahrerin vor
technische Schwierigkeiten stellte. Der heftige
Wolkenbruch drei Minuten nach dem Einsteigen
jagte den Wanderern einen wohligen Schauer über
den Rücken, im Bewusstsein, dem Ungemach knapp
entkommen zu sein.
Karl und Werner verabschiedeten sich in
Kapfenberg, der Rest fuhr im IC nach Wien. Ganz
vorne gab es drei freie Abteile für die Gruppe.
Proviantreste wurden aufgeteilt und bald machte
sich während der Zugfahrt durch den Regen
Müdigkeit breit. Matthias träumt von Gämsen.
Bilanz:
Die Tour war landschaftlich überaus lohnend,
konditionell anspruchsvoll, wettermäßig von
Glück begleitet und die Stimmung unter den bunt
zusammengewürfelten Teilnehmern war gut. Die
Gehzeit (längere Pausen abgezogen) betrug am
Sonntag 6, am Montag 5½ Stunden. Im Aufstieg
wurden etwa 1400, im Abstieg 1600 Höhenmeter
bewältigt. Abgesehen von zwei Schürfwunden,
einigen Sonnenbränden und Emmis lädierten
Pfoten verlief die Tour ohne Probleme. Die
ursprünglich geplante Ost-West-Überquerung war
sowohl wegen des Wetters wie wegen der
Busverbindungen nicht möglich, daher bleibt der
westliche Hochschwab als Tourenziel auf der Liste
künftiger Vorhaben.
Weitere Fotos im Album von Roland und im Album von Matthias
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