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Aus der Mengenlehre ist bekannt,
dass die Schnittmenge von Teilmengen kleiner ist
als die Summe von Teilmengen. Die Schnittmenge
der Nichtverreisten, der Hitzetoleranten und der
Frühaufsteher (Treffpunkt 05:40!) in der
Grundmenge der Männer auf Touren betrug an
diesem heißen Sommertag gerade einmal drei und
bestand aus Andreas, Frankie und Igo,
die mit dem ersten Zug von Wien nach Payerbach
und mit dem ersten Bus zum Preiner Gscheid
fuhren. Fast hätte sie vier betragen, doch
gehörte Friedrich nicht ganz
zur Teilmenge der Frühaufsteher. Er wollte sich
nämlich eine Stunde mehr Schlaf gönnen und
reiste mit dem Auto an, wobei er die anderen um
08:20 am Preiner Gscheid ganz knapp verpasste.
Mehr als eine Minute konnte es nicht gewesen
sein, aber die drei zogen vom Preiner Gscheid
(1070m) unverzüglich bergwärts und waren für
Friedrich schwer einzuholen. Nachdem
entgegenkommende Wanderer nichts von einer im
Aufstieg befindlichen Männergruppe zu berichten
wussten, gab er den Versuch auf und absolvierte
in gemütlichem Tempo solo eine Rax-Runde über
Waxriegelsteig, Trinksteinsattel, Seehütte und
zurück. Andreas, Frankie und Igo kletterten
unterwegs auf den Felsturm oberhalb des
Waxriegelhauses, der eine schöne Aussicht auf die
Felswand des Predigtstuhls und den gewaltigen
Siebenbrunnenkessel unterhalb bot. Erst beim
Erreichen des Waxriegelkamms legten sie auf einer
Wiese eine Trinkpause ein, ehe sie auf dem
gemächlich ansteigenden, völlig unschwierigen Waxriegelsteig
weiter aufstiegen. An der Abzweigung zum
Bismarksteig verließen sie die markierten Wege
und folgten der Intuition, was im einfachen
Gelände problemlos möglich war. Die Hochebene
präsentierte sich von ihrer schönsten Seite,
mit grasigen Hügeln, kleinen Tälern, Wiesen und
vielen Blumen. Gämsen gab es auch zu sehen,
Begegnungen mit anderen Wanderern gab es eher
selten. Der Aufstieg zum Dreimarkstein
(1948m) bot jede Menge schöner Aussichten.
Weiter weglos über eine Hügelkette
nordwestlich, in deren Steilhängen noch Schnee
lag. Einem dieser Schneefelder kam man dabei so
nahe, dass sich ein kurzer Abstieg lohnte, um
sich zur Erfrischung Hände, Gesicht und Nacken
mit Schnee einzureiben. Um 11:45 wurde mit der Scheibwaldhöhe
(1943m) der (vermeintlich) letzte Gipfel der Tour
erreicht.
War die Route bisher oberhalb der
Lechnermauern verlaufen, so folgte nun der
Abstieg über das Klobentörl zur
unbewirtschafteten Wolfgang Dirnbacher Hütte
(1477m), wo noch eine Rastpause in der Wiese bzw.
im Baumschatten eingelegt wurde (12:50-13:15).
Weiter ging es am berüchtigten Ho Chi
Minh Pfad durch die grüne Hölle am
Fuß der Lechnermauern. Ohne Pfad wäre dieser
Dschungel aus mannshohen Latschen mit mächtigen
Krautpflanzen im Unterholz nicht zu durchdringen
gewesen, aber der Ho Chi Minh Pfad war
fürsorglich markiert und teilweise
ausgeschnitten, sodass die Bewältigung dieser
Etappe keine größeren Schwierigkeiten bereitete.
Sogar die Hitze inmitten der Latschen war weniger
schlimm als befürchtet. Als es gerade so aussah,
als würde es noch Stunden durch einem Tunnel aus
Grünzeug so weitergehen, öffnete sich der Pfad
zu einer Wiese, wo es auch eine Begegnung mit
anderen Wanderern in der Gegenrichtung gab,
sodass man Ratschläge über den jeweiligen
Weiterweg geben und empfangen konnte. Von hier
war der Weg zur Raxeishöhle
nicht weit, die einen Besuch schon wegen der
kühlen Luft am Höhleneingang lohnte. Ein
Pfropfen aus festem Schnee füllte den halben
Höhleneingang, dahinter führte ein eisiger Hang
in die Tiefe, der wegen der Rutschgefahr lieber
nicht betreten wurde. Nach Würdigung dieser
Attraktion wurde um 14:40 die Seehütte (1643m)
erreicht.
Andreas, der absichtlich keine Jause
mitgenommen hatte, da er nicht gerne mit vollem
Bauch wanderte, schlug beim Hirschbraten zu,
während Frankie und Igo genug an eigenen
Vorräten gejausnet hatten und sich mit
Getränken begnügten. Da man nun eine
Dreiviertelstunde vor dem Zeitplan lag, keimte
der Gedanke auf, eine längere und eventuell
attraktivere Abstiegsroute zu wählen als den
nicht eben spektakulären Göbl-Kühn-Steig. Möglicherweise
trug der von Andreas spendierte Enzianschnaps zur
Beflügelung der Gedanken bei, denn die Wahl fiel
auf den durchaus spektakulären, aber nicht
unschwierigen Preinerwandsteig
(A/B). Mit diesem Plan vor Augen erfolgte der
Aufbruch schon nach einer halben Stunde Rast und
anstatt sich einen zweiten Hirschbraten oder noch
ein Bier zu gönnen, ging es nun wieder bergauf
zum Preinerwandkreuz (1783m).
Bald danach zweigte der Steig ab, wobei der erste
Blick auf den Einstieg ein ziemlich gutes Bild
vom Rest des Steiges vermittelte, nämlich steile
Felspassagen und schotterige, teils ausgesetzte
Bänder unterhalb senkrechter oder
überhängender Felsen. Die landschaftliche
Kulisse dieser Felswände mit dem tief unten
liegenden Tal war allerdings grandios. Zwei
klettertechnisch professionell ausgerüstete
Tschechen oder Slowaken machten sich hinter den
Männern auf Touren an den Abstieg, kamen aber
auch nicht schneller voran.
Nachdem der anspruchsvolle Teil des Abstiegs
bei der Einmündung des Holzknechtsteigs hinter
sich gebracht war, begannen die Schwierigkeiten
der Orientierung, denn im unteren Teil sind in
Richtung Prein Markierungen oft nicht vorhanden
und Wegweiser widersprüchlich bzw. wertlos was
die zu erwartende Gehzeit betrifft. Trotz dieser
Probleme erreichten die drei Prein um 18 Uhr,
rechtzeitig zum letzten Bus, der mit etwas
Verspätung um 18:14 kam.
Die Wartezeit an der Bushaltestelle in der
immer noch sehr kräftigen Abendsonne stellte die
größte Hitzebelastung während der gesamten
Tour dar. Sie wurde genutzt, um ein Resümee zu
ziehen, das so lautete, dass diese Wanderung
ausgesprochen abwechlungsreich war. Denn von den
grasbewachsenen Hügeln der Hochfläche über
Dschungel mit Eishöhlen bis zu atemberaubenden
Klettersteigen war so ziemlich alles enthalten,
was die Rax zu bieten hat. Und das alles im
Rahmen einer Tagestour. Streckenlänge 17,5km,
knapp 1300 Höhenmeter Aufstieg, knapp 1700
Höhenmeter Abstieg, Gehzeit etwa 7½ Stunden,
Pausenzeiten gesamt etwa 2 Stunden.
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