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Für die meisten
Männer auf Touren gab es wahrscheinlich zehn
Günde, nicht auf die Hohe Schrott zu gehen (das
frühe Aufstehen, das späte Heimkommen, das
Wetter, der schrottige Name, die lange Bahnfahrt,
die Fahrtkosten, die Gehzeit, die Höhenmeter,
die Schwierigkeiten, und überhaupt), aber es gab
auch zwei Gründe, es doch zu tun, nämlich dass
es am Programm stand und dass Igo schon Wochen
davor ein supergünstiges, nicht stornierbares
ÖBB-Fan-Ticket für die Fahrt an diesem Tag
gekauft hatte. So kam es, dass Frankie und Igo
die einzigen waren, die sich im IC Richtung
Innsbruck einfanden. Auch in Linz erfolgte kein
Zuwachs. In Attnang-Puchheim hieß es Umsteigen
in den Regionalzug. Ab Gmunden gab es schöne
Ausblicke auf Traunsee und Berge, die
Wandervorfreude aufkommen ließen.
Bei der Ankunft in Langwies
(446m) um 10:08 war es bedeckt, aber trocken. Von
der Hohen Schrott sah man die markant in
horizontale Felsschichten gegliederte
Steilflanke. Alle Berggipfel oberhalb etwa 1500m
waren in Wolken gehüllt, aber es bestand
Hoffnung, dass es im Lauf des Tages auflockern
würde. Die für Anfang Juli
unterdurchschnittliche Temperatur stellte sich
schon nach ein paar hundert Metern als Vorteil
heraus, denn der Weg von Langwies auf die Brombergalm
zog sich mit ununterbrochener kräftiger Steigung
empor. In den Blättern hingen die Tropfen vom
Regen der vergangenen Nacht, zahlreiche
Weinbergschnecken kreuzten den Weg und einmal
stieß eine Gämse einen heiseren Pfiff aus und
suchte das Weite. So etwa jede halbe Stunde gab
es ein Rastbankerl, zumeist aussichtslos mitten
im Wald, errichtet von Schwaiger Gottfried
"Putz'n Friedl". Beim dritten Bankerl
wurde dieses Angebot angenommen und es gab eine
Viertelstunde Rast, um sich für den
Weiteraufstieg zu stärken.
Um 12:30 wurde der Grat des
Loskogel erreicht, mit Blick auf den Traunsee,
und 20 Minuten später die Brombergalm (1430m).
Ein idyllischer Anblick mit Almwiesen, auf denen
Kühe weideten. Die beiden Wanderer strebten dem
Brunnentrog zu, um sich zu erfrischen und hatten
ihn soeben erreicht, als sich die 300 Meter
entfernte Kuhherde plötzlich in Bewegung setzte
und auf sie zustürmte. Ob sie die Eindringlinge
von ihrer Wasserstelle vertreiben oder nur
spielen wollten, hätte vielleicht ein
Weideviehexperte beurteilen können. Nachdem ein
solcher nicht zugegen war, warteten Frankie und
Igo den Ausgang der Begegnung nicht ab, sondern
flüchteten den Hang hinauf. Dorthin verfolgten
die Kühe sie nicht, sie umkreisten den
Brunnentrog. Um ihnen aus dem Weg zu gehen,
schlugen die Wanderer sich querfeldein über
Geröll und durch Latschen zum Sattel zwischen
Loskogel und Petergupf durch.
Am Petergupf (1646m, 13:30) gab
es Gipfelkreuz, Rastbank sowie einen schönen
Ausblick auf den Traunsee und den Traunstein.
Über den Kamm der Hohen Schrott zogen
Nebelschwaden. Wenn sie sich lichteten,
prästentierte sich in Gehrichtung der imposante
Speikkogel mit dem gewaltigen Kessel unterhalb,
aus dem man Wasser rauschen hörte. Nach 20
Minuten Pause und Eintrag ins Gipfelbuch ging es
weiter dem teils schmalen Grat folgend zum Bannkogel
(1656m). Bis hierher bot der Weg keine
Schwierigkeiten. Die spektakulärste Etappe gab
es vor dem Bergwerkskogel
(1689m), zunächst mit einem Band unter
überhängenden Felsen, dann mit einer
Kletterpassage, die eine Herausforderung
darstellte, auch wenn sie mit Stahlbügeln,
Stiften und Seilen gut versichert war. Im
weiteren Verlauf gab es immer wieder kleinere
Kletterstellen, die problemlos zu bewältigen
waren. Das landschaftlich vielleicht
faszinierendste Stück war die Passage des Mittagkogels
(1790m). Die grasbewachsenen Felsterrassen
weckten Assoziationen zu Pyramidenbauten in einer
Fantasy-Landschaft. Die hochliegende Bewölkung
war nach wie vor geschlossen, aber die Gipfel
waren großteils schon frei, daher gab es
Ausblick auf eine weite Berglandschaft bis zum
Dachstein.
Nun ging es relativ bequem auf
den Gipfel der Hohen Schrott
(1839m) zu, der um 16 Uhr erreicht wurde. Nach
fast sechs Stunden unterwegs war eine längere
Pause fällig, die mit einer ordentlichen
Gipfeljause und Rasten verbracht wurde. Igo
versuchte ein Gipfelfoto mit Selbstauslöser
hinzukriegen, was aber nicht so einfach war, da
es an Aufstellmöglichkeiten in geeigneter Höhe
mangelte. Dann kam flotten Schrittes ein Wanderer
oder Bergläufer angekeucht - die erste Begegnung
mit einem Menschen seit dem Verlassen des Zugs.
Es gab eine kurze Unterhaltung über die
Aussicht, die Bergnamen, den Klimawandel, dann
knipste er ein Foto mit Igos Kamera und trabte
wieder talwärts, da er in einer Stunde wieder im
Stall sein musste. Inzwischen kam die Sonne
heraus. Kalt war es nie, lediglich beim längeren
Sitzen wurde es nötig, eine Jacke anzuziehen.
Für den Abstieg nach Bad Ischl
gab es zwei Möglichkeiten, wobei die Variante
über Hochglegt und Kothalm mit 2½ Stunden
angeschrieben war, die andere mit 3 Stunden.
Bevorzugt wurde die Hochglegt-Variante,
auch wenn das noch einen kurzen Anstieg auf den
sechsten und letzten Gipfel (1784m) bedeutete.
Als Bonus gab es einen schönen Blick auf die
Hohe Schrott und den gesamten Kammverlauf. Die an
diesem Tag zurückgelegte Strecke sah recht
beträchtlich aus.
Bei der Kothalm
gab es wieder Kühe, diesmal aber einen Menschen
bei der Hütte, nämlich einen älteren Mann, den
Igo sicherheitshalber fragte, ob seine Kühe
friedlich seien. Das bejahte er. Im Gespräch
stellte sich heraus, dass er ein Bier anbieten
könnte. Dieses Angebot anzunehmen, bedurfte
keiner langen Überlegung. So legten Igo und
Frankie auf einer Bank neben der idyllischen, mit
Holzschindeln gedeckten Kothalm noch eine kleine
Pause ein und genossen neben dem Bier, der
Aussicht und dem Sonnenschein die Gesellschaft
von zwei zutraulichen und neugierigen Ziegen, die
die Wanderer und ihre Rucksäcke inspizierten.
Der weitere Abstieg nach Bad
Ischl war dann ausgesprochen mühsam. Der Weg war
steil und bestand haupsächlich aus grobem
Geröll, dazwischen Gatsch und nasse Wurzeln.
Alles war rutschig und erforderte Aufmerksamkeit
bei jedem Schritt. Zudem verlief der Weg völlig
aussichtslos im Wald, der teilweise so düster
war, als sei schon die Nacht hereingebrochen. Der
Abstieg wurde so zum anstrengendsten Teil der
gesamten Tour. Die gute Stunde, die der alte Herr
auf der Kothalm als Abstiegszeit genannt hatte,
entstammte wohl einer vagen Erinnerung aus
Jugendtagen, denn bis zum Ortsrand von Bad Ischl
dauerte es zwei Stunden. Nun galt es, den
kürzesten Weg zum Bahnhof zu finden. Zwischen
dem Ortsteil Rettenbach und dem Bahnhof lagen
noch ein Bach, eine Anhöhe, eine Bundesstraße
und die Traun. Angeschrieben war nur ein Bad
Ischler Rundwanderweg, Hinweise zum Bahnhof gab
es nicht. Zwei auf der Straße angesprochene Bad
Ischler gaben Auskunft, ganz zweifelsfrei ließen
sich ihre Wegbeschreibungen aber nicht
nachvollziehen. Wie auch immer, um 20:25 war der
Bahnhof erreicht. Bahnhofsrestaurant und Café
hatten natürlich geschlossen und für einen
Stadtbummel reichte die Zeit nicht mehr.
Um 20:53 fuhr der letzte Zug, mit
Umsteigen in Attnang-Puchheim war man um 22:28 in
Linz, wo es eine dreiviertelstündige Wartezeit
auf den Anschlusszug gab. Der Spar am Bahnhof
hatte noch offen und im Park vor dem Bahnhof
konnte man mit einer Dose Bier bzw. einer Flasche
Limo diese exklusive Tour mit etwas
Stadtstreicherflair ausklingen lassen. Ankunft in
Wien eine halbe Stunde nach Mitternacht.
Fazit: eine lange, landschaftlich
sehr schöne und einsame Tour im Salzkammergut.
Streckenlänge etwa 18km, 1600 Höhenmeter, 8½
Stunden Gehzeit.
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